Louise Vind Nielsen an der Orgel in schwarz weiß fotografiert
©Nierenstein

Louise Vind Nielsen - Operationen an der offenen Orgel

PORTRAIT NEUSTART KULTUR STIPENDIENPROGRAMM (2020/21)

Orgeln haben durch ihre Größe häufig etwas Ungreifbares: Unzählige Pfeifen, deren Funktion man nur erahnen kann; der Spieltisch mit seinen gleich in mehrfacher Ausführung kommen - den Klaviaturen, den Manualen, Schiebe- und Ziehvorrichtungen für die Register, die Pedale – alles wirkt kompliziert und kaum zu verstehen. Zusammenhänge zwischen den Teilen verschließen sich der Laiin oder dem Laien.

Womöglich hilft jedoch der Blick ins Englische, wo das Instrument „Organ“ heißt. Die Analogie zwischen dem großen Instrument und einem Organismus ist offensichtlich, wenn man grundlegende Funktionen vergleicht: Ein Motor wie ein Herz, der die Maschine antreibt, welche dann, einer Lunge nicht unähnlich, die Luft ansaugt und wieder auspustet, als nächstes durch die Pfeifen in die Welt treibt, als würden Stimmbänder sprechen und singen wollen.

Louise Vind Nielsen hat diese Ähnlichkeit bei ihrem Projekt „Die Osmotische Orgel“ schon sehr früh angetrieben. Ohne sich in metaphysische Sphären aufschwingen zu wollen, könne man diese Parallelen kaum ignorieren, gibt sie bei unserem Treffen in Hamburg zu verstehen. „Eindeutig wird es, wenn man den Motor ausstellt“, führt sie aus. „Dann sterben die Töne ab. Schaltet man ihn an, dann belebt man das Instrument wieder.“ 

Die in Hamburg lebende Künstlerin und Musikerin Vind Nielsen wird es wissen, hat sie sich doch in den letzten zwei Jahren in erschöpfender Recherche-Arbeit mit Orgeln auseinandergesetzt. Im Speziellen mit der Kirchenorgel der Immanuelkirche im Hamburger Stadtteil Veddel. Im migrantisch geprägten Viertel wird die Kirche von ihrer Diakonin Uschi Hoffmann nicht als konservative, christliche Kirche ver-antwortet, sondern als soziokultureller Raum. Statt strenger Raumtrennung durch Bänke, ist der Kirchenboden mit einem Sitz- und Liegeteppich bedeckt, der zum Verweilen einlädt. Gleich nebenan ist ein Community-Café, das als Viertel-Treffpunkt dient. Und auch die Orgel selbst wird zum sozialen Instrument: „Als ich das erste Mal dort war, sah ich diese Tafel, die sagte `Ihr müsst nicht einbrechen, um die Orgel zu spielen, sondern könnt uns einfach anfragen und einen Termin vereinbaren`.“ Für Vind Nielsen war das eine willkommene Einladung, hatte sie doch schon in ihrer Kindheit und Jugend an einer Kirchenorgel gespielt; in ihrer dänischen Heimat spielte sie einst an der Orgel der Kirche neben ihrem Wohnhaus – halboffiziell könnte man sagen.

                                                                                                    Text: Lars Fleischmann

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